Mit dem Einzug der Künstlichen Intelligenz ins Smartphone beginnt ein Kampf um die Nutzerdaten
Das erste KI-Handy in China ist nicht nur ständig ausverkauft, sondern auch an eine Kampfansage an etablierte Handy-Hersteller wie Apple, Xiaomi oder Samsung
Published on Dec 24, 2025

The core capabilities of UI-TARS. Source: ByteDance Seed
Apple und sein App Store haben ein Problem. Es heißt „M153“ und gilt als Chinas erstes KI-Handy. Es ist meist ausverkauft, seit es am 1. Dezember auf den Markt kam. Derzeit werde es auf dem Graumarkt für bis zu 36.000 Yuan, mehr als 4.300 Euro, weiterverkauft, berichten chinesische Medien. Das entsprich mehr als dem Zehnfachen seines offiziellen Preises von 3.499 Yuan.
„Wird das iPhone das nächste Nokia?“ fragt der chinesische Tech-Blog Xinzhoukan (auf Chinesisch). Die tiefe Integration eines KI-Agenten in die Betriebsebene des neuen Handys verspricht, das ständige Klicken auf verschiedene Apps obsolet zu machen - und ihre Entwickler gleich mit dazu.
Das M153 stammt von ByteDance, dem Mutterkonzern von TikTok, und dem zuvor relativ unbekannten Smartphone-Hersteller Nubia, der einst als Smartphone-Sparte von ZTE begonnen hatte. ZTE hält weiterhin Anteile an dem Unternehmen. Das neue Smartphone nutzt nicht nur den in China sehr populären KI-Agenten Doubao von ByteDance, sondern betritt mit der OS-Integration agentischer KI auch technisches Neuland.
Das ermöglicht ein völlig neues Nutzererlebnis. Der Blog verdeutlicht es an einem anschaulichen Beispiel. Wer an einem Freitagabend plötzlich zu einer Geschäftsreise nach Shanghai aufbrechen musste, dafür ein Ticket mit dem Schnellzug Gaotie kaufen, ein bezahlbares Hotelzimmer buchen und seine Familie informieren, der musste sich bis jetzt durch eine ganze Reihe von Apps clicken, darunter sehr wahrscheinlich die Bahn-App 12306 für das Ticket, Ctrip für das Hotel und WeChat für die Nachricht an die Familie.
Jetzt genügt ein Satz mit der sogenannten Nutzerintention an das KI-Handy, und dessen Agent führt die komplexe Kette von Recherchen und Aktionen über diverse Apps hinweg in Rekordzeit eigenständig aus. Nur wo die Sicherheit oder Privatsphäre eine Rolle spielt, etwa beim Bezahlen, wird noch der Handy-Besitzer um eine kurze Bestätigung gebeten.
Der Aufstieg des KI-Handys ist nicht zu stoppen.
Noch wehren sich die großen Smartphone-Hersteller, die Kontrolle über ihre Apps aufzugeben. Nutzer in China berichten, dass dem KI-Agenten des M153 der Zugang zu bestimmten Apps und Funktionen verwehrt worden sei. Allerdings handelt es sich hier erst um die Geburtsstunde des KI-Handys.
Die Zukunft könnte den wirklich kompetenten KI-Agenten auf dem Handy gehören, die mehr können als nur einen Alarm stellen. „Die Industrie für Smartphones hat sich zulange Zeit damit gelassen, den Nutzern wirklich disruptive Innovationen zu bringen“ schrieb Nubia-Chef Ni Fei in einem Kommentar. „Der Aufstieg des KI-Handys ist nicht zu stoppen.“
Hinter dem Kampf um den App-Zugang verbirgt sich auch der Kampf um die Nutzerdaten. Sein Ausgang ist vorerst noch ungewiss. Aus Sicht der Verteidiger der bisherigen Architekturen aber gibt es das Risiko zu bedenken, sich durch das Festhalten an Schutzwällen selbst von den riesigen Datensätzen abzukoppeln, die auf Dauer durch den Gebrauch der generativen KI entstehen werden.
Beim M153 handelt es sich bislang noch um eine Art Prototyp. Nubia und ByteDance vermarkten ihr KI-Handy als „Technologie-Vorschau-Edition“ und legen Kleingedrucktes dazu, das die Käufer zu einer Art Beta-Tester macht.
In der Tat gibt es für die Hersteller von KI-Handys noch eine Reihe rechtlicher und technischer Hürden zu nehmen, bevor sie den etablierten Handyherstellern ernsthaft Konkurrenz machen können. So müssen etwa die Zugangsberechtigungen zu Online-Banking und Bezahl-Apps legal geklärt werden. Nubia und ByteDance haben einige dieser Funktionen daher momentan noch ausgesetzt.
Auch beim Datenschutz gibt es für das neue KI-Handy momentan noch Bedenken. ByteDance hat dazu gerade ein Weißbuch veröffentlicht, um seine Anstrengungen in dem Bereich zu dokumentieren. Letztendlich handelt es sich aber nur um die schon bekannten Probleme, die ähnlich lösbar sein dürften wie in der bisherigen Welt der Apps und App-Stores.
Technisch wiederum stehen die GUI-Agenten für KI-Funktionen, um die es sich hier momentan handelt, ebenfalls noch vor einigen Herausforderungen. Der Agent muss zumindest auf den jetzt vorwiegenden Oberflächen in Millisekunden diverse Buttons und Textfelder korrekt identifizieren, durch mehrere Apps navigieren, dabei Popups und anderen dynamisch geladenen Content erfolgreich ignorieren.
Die Zusammenarbeit zwischen Doubao, dem KI-Agenten von Douyin, dem chinesischen Tiktok, sei als „ein Beginn“ zu verstehen, sagt Li Liang, der Vizepräsident von Douyin. „KI ist zweifellos die Zukunft“, sagt er aber auch.
